Das Wort „Wertschätzung“ hört man heutzutage sehr oft in Zusammenhang mit Arbeit. Warum ist das eigentlich so?
In der heutigen Arbeitswelt, herrscht Fachkräftemangel. Die Generation der Babyboomer geht nach und nach in den wohlverdienten Ruhestand und die Generation Z lässt sich nicht mehr „unterbuttern“. Chefs und Manager, die nur fordern und meinen mit Machtspielchen wie Kündigungs-drohungen kämen sie voran, sollten der Vergangenheit angehören. Bedauerlicherweise gibt es diese „Praktiken“ nach wie vor. Leider gibt es immer noch Arbeitnehmer_innen, die im alten österreichischen Abfertigungssystem gefangen sind oder die ihren Dienst mit Kündigungsängsten verrichten. Wo bleibt die Wertschätzung?
Doch der Schrei nach gerechter Behandlung, sei es adäquate Entlohnung, „Work-Life-Balance“ oder schlichtweg Höflichkeit wird immer lauter. In den Köpfen der Menschen steigt das Bedürfnis wertgeschätzt zu werden zunehmend. Damit ist nicht nur wertschätzendes Verhalten der eigenen Person gegenüber gemeint, auch Lehrberufe sollten wieder mehr Wertschätzung erfahren. Der Facharbeiter_innenmangel steigt sukzessive an. Was aber machen wir, wenn wir eine/n Dachdecker_in oder eine/n Friseur_in, benötigen? Ich möchte in Zukunft nicht selbst auf das Dach steigen oder mir vor dem Spiegel die Haare schneiden müssen. Allem voran kann ich das auch gar nicht, weil mir die entsprechende Ausbildung dafür fehlt. Überlassen wir diese Herausforderungen und kreativen Tätigkeiten lieber den Profis, die Unternehmen wieder selbst ausbilden, und nicht erst verzweifelt am Arbeitsmarkt suchen müssen.
Warum also nicht umdenken und als Unternehmen wahrgenommen werden, wo Mitarbeiter_innen bleiben und neue gerne dazukommen, weil sie bei Ihnen Wertschätzung erfahren?
Was ist Wertschätzung eigentlich?
Laut Univ. Prof. Dr. med. Reinhard Haller, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, gibt es sieben Stufen der Wertschätzung. Er beschreibt diese in seinem Buch „Das Wunder der Wertschätzung“.
Haller teilt die Wertschätzung ein wie folgt, wobei er Empathie als grundlegende Voraussetzung betrachtet.
Eigene Darstellung angelehnt an Univ. Prof. Dr. med. Reinhard Haller.
Nach meiner Interpretation sind alle unter „Wertschätzung“ angeführten Werte der obigen Pyramide notwendig, um einem Menschen überhaupt wertschätzend begegnen zu können. Vertrauen und Liebe kann und möchte man nicht jedem entgegenbringen. Vertrauen aber ist besonders ratsam für Unternehmer_innen, die Personal haben bzw. Kund_innen bedienen. Vertrauen bewirkt, dass Menschen offener und gesprächiger werden. Wichtige Informationen werden preisgegeben, was essenziell für die Erreichung gemeinsamer Ziele ist. Liebe hingegen wird man nur Personen entgegen-bringen, zu denen man eine persönliche, tiefe Beziehung pflegt. Es ist die höchste Form der Wertschätzung.
Vorteile von Wertschätzung in Betrieben
Einen Großteil unserer „Lebenszeit“ verbringen wir mit unserer Arbeit. Verständlicherweise möchten wir in diesem Zeitraum tun was uns Spaß macht und mit Menschen arbeiten, die uns sympathisch sind und die wir mögen. Wie wird das erreicht? Einen großen Anteil daran hat Wertschätzung.
Die Autoren des Buches „Wertschätzung – ein Praxisbuch“ bringen es mit dem folgenden Zitat auf den Punkt. Sie haben auch die Vorteile dieser wichtigen Umgangsform herausgearbeitet.
„Wertschätzung ist der Schlüssel zu guter, zukunftssicherer Arbeit.
Wertschätzung …
- erhöht unsere Motivation nachhaltiger als Geld
- steigert unsere Produktivität
- fördert geistige und körperliche Gesundheit
- verbessert unsere Kreativität
- stiftet Vertrauen
- zieht Talente an
- steigert unsere Initiative
- fördert Weiterentwicklung und Lernbereitschaft
- reduziert Stress, Fehlzeiten und Personalfluktuation“
(Pfob, Triskiel, Dageroth 2020, S. 11)
Was braucht es für einen wertschätzenden Umgang?
Nicht so viel, wie man vielleicht denken mag. Bitte legen Sie an dieser Stelle eine kurze Pause ein. Nehmen Sie einen Bleistift und ein Stück Papier zur Hand und notieren, was Sie sich als Mensch im Bezug auf den Umgang mit anderen wünschen.
Vielen Dank! Es war wahrscheinlich nicht allzu schwer, ein paar Worte zu Papier zu bringen, oder? Genau!
Ein freundliches „Hallo“, ein Lächeln, ein Erkundigen über das Wohlbefinden, eine Frage nach Rat, einfaches und verständnisvolles Zuhören, eine kleine Aufmerksamkeit oder ganz einfach ein Dankeschön.
Eigentlich ist es so einfach und kostet nichts, doch im unternehmerischen Denken scheint immer noch die Meinung vorzuherrschen, dass die Belegschaft ausschließlich Kapital ist. Der Begriff „Humankapital ist diesbezüglich sehr aussagekräftig. Doch auch in der Wirtschaft haben wir es mit Menschen zu tun, mit Emotionen, Gefühlen und Bedürfnissen. Das sind Ihre Mitarbeiter_innen, die sich Tag für Tag um das Anliegen und die Ziele Ihres Betriebes kümmern.
Unterstützen Sie Ihr Personal, seien Sie für sie da, loben Sie und haben Sie immer ein „offenes Ohr“ für Ihre Mitarbeiter_innen. Wichtig dabei ist, dass Sie authentisch bleiben und es wirklich ernst meinen. Nichts ist schlimmer als gespieltes Interesse. Das wird sehr schnell durchschaut und schlägt umgehend in Misstrauen um.
„Lob, Interesse zeigen, aufmerksames Zuhören und ein Dankeschön stärken Vertrauen!“
Doris Kirner
Sein Sie achtsam! Nicht nur der/die Unternehmer_in sollte Wertschätzung leben, auch Ihre Mitarbeiter_innen sollten untereinander und mit ihren Vorgesetzten respektvoll umgehen. Deshalb ist es auch hier wichtig, mit offenen Augen und Ohren durch den Betrieb zu gehen und Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Teambuilding-Seminar oder einen Kommunikations-Workshop, in Erwägung zu ziehen. Das beugt Konflikte vor und stärkt die Zusammengehörigkeit des Teams und auch die Beziehung unter den Kolleg_innen und Führungskräften. Vor allem können Sie damit auch Job-Killer wie Burnout oder auch Mobbing minimieren. Diese beiden Phänomene nehmen derzeit leider immer mehr zu.
Wie wertschätzend bin ich?
Beim Weihnachtseinkauf konnte ich trotz Urlaub nicht weghören, als ich die Verkäufer_innen laut tuscheln hörte, wie unangenehm Ihr Chef mit dem Kollegium umgeht. Er betone immer wieder, wie wichtig Wertschätzung in diesem Unternehmen wäre, agiere allerdings ganz anders. Schnell wurde mir klar, dass Wertschätzung in diesem Betrieb nur ein Lippenbekenntnis ist, aber leider keine gelebte Praxis. Lassen Sie uns derartige Fehler gemeinsam verhindern, denn eines ist klar: Wertschätzung bleibt nur ein Wort, wenn es im Unternehmen nicht gelebt wird!
Werden Sie sich dessen bewusst! Mitarbeiter_innen sind anspruchsvoller geworden, reagieren immer prompter auf Führungsfehler. Leere Worthülsen werden als Entschuldigungen nicht mehr akzeptiert.
Firmen haben oft einen „Blinden Fleck“ und sehen sich selbst als wertschätzender, als Sie tatsächlich sind. Holen Sie sich ein Feedback Ihrer Mitarbeiter_innen ein. Werfen Sie doch einmal einen Blick in Ihre Firmenbewertungen auf der Internetplattform Kununu, denn da erfahren Sie die ungeschönte Wahrheit. Dort können alle Interessierten lesen, wie Sie von Ihrer Belegschaft wahrgenommen werden. Sie haben einen großen Einfluss darauf, was dort über Ihr Unternehmen geschrieben steht.
„Leben Sie Wertschätzung oder glauben Sie es nur?“
Alfred Kirner
Checkliste: Wie wertschätzend sind Sie?
- Feedback:
Geben Sie Feedback, wenn etwas gut gelaufen ist, oder werden vorwiegend Fehler angesprochen? - Diversity Management:
Pflegen Sie die Vielfalt in Ihrem Unternehmen? Sind alle gleichgestellt, egal ob Frau, Mann, alt, jung, Migration, Inklusion, sexuelle Orientierung usw.? - Dank:
Bedanken Sie sich regelmäßig oder nur allgemein bei Weihnachtsfeiern oder dem jährlichen Mitarbeiter_innen-Gespräch? - Benefits:
Haben Sie Benefits für Ihre Mitarbeiter_innen? - Zuhören:
Kennen Sie die Anliegen Ihrer Mitarbeiter_innen? - Mitbestimmung:
Haben Ihre Mitarbeiter_innen ein Mitspracherecht?
- Förderung:
Fördern Sie Ihre Belegschaft mit Schulungen, die auch deren Interessen entsprechen? Fördern Sie das Team?
Wertschätzung wird oft leider auch als Schwäche gesehen. Häufig herrscht immer noch der Irrtum vor, dass Arbeit kein Vergnügen sein darf. Diese überholten Ansichten entsprechen längst nicht mehr den modernen Managementmethoden. Pflegen Sie die Wertschätzung in Ihrem Betrieb wie ein zartes Pflänzchen. Wenn sie wächst und gedeiht, wird sie die süßesten Früchte tragen.
Leider ist fehlende Wertschätzung auch in eingefahrenen Strukturen verankert. Diese können durch eine Unternehmens-beratung bewusst werden. Wir helfen Unternehmen dabei, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die auf den Bedürfnissen der Mitarbeiter_innen beruhen. Neben der bestehenden Belegschaft, werden auch neue Teammitglieder sowie der gesamte Workflow davon profitieren.
Wertschätzung kann auch falsch gelebt werden!
Durch manipulatives Lob können Mitarbeiter_innen im wahrsten Sinn des Wortes auch „krank“ gelobt werden. Überlastungsdepression, Nervenzusammenbrüche und lange Krankenstände können die Folge sein. Versuchen Sie „Gerechtigkeit“ als Wert im eigenen Unternehmen groß zu machen. Es wird immer nur ein „Liebkind“- Mitarbeiter_in des Monats? Suchen Sie nach den Stärken der anderen Kolleginnen und Kollegen und holen Sie auch mal die stilleren Teammitglieder vor den Vorhang. Sie werden es Ihnen mit Loyalität und erhöhter Motivation danken. Gehen Sie bewusster in den Arbeitstag und versuchen Sie, auf die Talente Ihrer Mitarbeiter_innen zu achten. Finden Sie Gemeinsamkeiten in Ihrer Belegschaft heraus und fördern Sie diese – dazu eignen sich z.B. Betriebsausflüge hervorragend.
Die Gegenspieler der Wertschätzung
Durch Kränkung, Neid und abwertendes Verhalten werden Menschen entwürdigt und in ihrem positiven Verhalten gebremst. Derartiges Fehlverhalten verursacht Stress, demotiviert und ängstigt selbst hartgesottene Arbeitnehmer_innen. Die Folge davon: Immer mehr Mitarbeiter_innen verrichten im besten Fall „Dienst nach Vorschrift“ oder verursachen gar Schäden, die der/die Kund_in zu tragen hat.
In etlichen Betrieben werden Führungskräfte belogen, weil das Personal „nicht ehrlich sein darf“. Die Befürchtung, dass die Wahrheit nicht akzeptiert wird, ist in einem derartig vergifteten Arbeitsklima groß. Im Zuge unserer Arbeit sind wir leider schon oft auf solche üblen Umstände gestoßen und das Management konnte sich nicht erklären, warum die Personalfluktuation immer größer wurde. Oft wurden „Kürzungen am Personal“ sogar absichtlich durchgeführt, um Kosten zu sparen. Auf lange Sicht ist eine Strategie der wertschätzenden Haltung die zukunftssicherere Lösung.
Fazit:
Durch Selbstreflexion können wir uns bewusst machen, wie wir von anderen behandelt werden wollen. Diese Erkenntnis verhilft uns auch zu einem gelungenen Umgang mit unseren Mitmenschen. Besonders in Unternehmen bietet authentisch gelebte Wertschätzung viele Vorteile:
- Besseres Arbeitsklima
- Geringere Fluktuation
- Höhere Motivation und Leistungsbereitschaft
- Ein besserer Ruf am Arbeitsmarkt
- Mehr und bessere Bewerber_innen für neue Stellen
- Kundenzufriedenheit
- Mehr Umsatz
Seien Sie ein Vorbild und leben Sie es Ihrer Belegschaft und auch Ihren Kund_innen vor, denn alle profitieren davon.
Wertschätzung sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Doch vielen Menschen sind die Konsequenzen ihres Verhaltens nicht klar. Wir helfen Ihnen dabei wachsam zu bleiben oder zu werden. Aus Erfahrung wissen wir wie wichtig die richtige Wortwahl und eine offene, freundliche Körpersprache ist. Ich selbst versuche mich seit Kindertagen an die Regel zu halten, die mir meine geliebte Oma beibrachte: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Diese biblische Weisheit stammt aus der berühmten Bergpredigt von Jesus (Evangelium des Matthäus, Kapitel 7, Vers 12). Für mich spielt es dabei keine Rolle, ob mein Gegenüber ein Mann oder eine Frau ist, ob Mensch oder Tier. Wertschätzung sollte allgegenwärtig sein und darf in unserer schnelllebigen Welt auf keinen Fall verloren gehen.